Konkrete / Harmonikale Aspekte

In Weiterführung der Theorien der Kubisten wie Cézanne, Picasso oder Bracque, die begonnen hatten, die Welt analytisch in geometrische Formen zu zerlegen, inspiriert durch die vom Gegenstand losgelöste Farbverwendung der Fauvisten um Matisse, begann sich in den 10er Jahren des letzten Jahrhunderts die Idee von einer völlig gegenstandsfreien Gestaltungsweise zu entwickeln, die sich ausschließlich durch die Interaktion von Linie, Form und Farbe auf Fläche, Volumen und Raum definieren lässt. Im Unterschied zur abstrakten Kunst, die noch eine sekundäre Gegenständlichkeit, Anklänge, Spuren, Rückerinnerungen an Dingformen erlaubt, sollte hier eine neue Wirklichkeit jenseits der sichtbaren Natur geschaffen werden.

De Stijl

war eine niederländische Gruppe von Malern, Architekten und Designern, die 1917 in Leiden eine Künstlervereinigung und eine Zeitschrift gleichen Namens gründete.

Gründungsmitglieder waren der Maler und Kunsttheoretiker Theo van Doesburg, die Maler Piet Mondriaan und Georges van Tongerloo, die Architekten Robert van't Hoff, J. J. P. Oud und Jan Wils, die Maler Vilmos Huzár und Bart van er Leck, sowie der Dichter Anthoni Kok. Bis 1922 verließen acht der anfänglich zehn Mitglieder die Gruppe, dafür kamen neue hinzu, unter anderem die Architekten Gerrit Rietveld (1918) und Cornelis van Eesteren (1922) und der Maler Friedrich Vordemberge-Gildewart (1924).

Die Gruppe bekannte sich zu einer geometrisch-abstrakten, ‘asketischen’ Darstellungsform in Kunst und Architektur und einem auf Funktionalität beschränkten Purismus, der ähnlich wie das deutsche Bauhaus, zu dem ideen- und kunstgeschichtlich eine enge Beziehung besteht, Grundsätze für eine auf alle Gestaltungsbereiche anwendbare Ästhetik aufstellte.

Im Jahr 1916 machte Mondrian Bekanntschaft mit dem Mathematiker und Theosophen M. H. J.. Scheonmaekers (1875–1944), der den Begriff des Stils als ‘Das Allgemeine trotz des Besonderen’ definierte. Mondrian entlehnte einen großen Teil Schoenmaekers' äußerst klarer Terminologie für seine in ‘De Stijl’ veröffentlichten Aufsätze. Das Anliegen der Gruppe war es, sich vollständig von den Darstellungsgrundsätzen der traditionellen Kunst abzuwenden und eine neue, völlig abstrakte Formensprache zu erarbeiten, die auf der Variation von wenigen elementaren Prinzipien der bildnerischen Gestaltung (waagerecht/senkrecht, groß/klein, hell/dunkel und den Grundfarben) beruhte. Das bedeutet die Reduktion von Farben auf die drei Primärfarben Rot, Gelb und Blau sowie die Nichtfarben Schwarz, Grau und Weiß.

Der Begriff Konkrete Kunst wurde 1918-1924 von Theo van Doesburg eingeführt und 1930 in einem Manifest bei der Gründung der Gruppe ‘Art Concret’ programmatisch festgelegt für eine Richtung der Kunst, die im Idealfall auf mathematisch-geo-metrischen Grundlagen beruht. Sie ist im eigentlichen Sinne nicht ‘abstrakt’, da sie nichts in der materiellen Realität Vorhandenes abstrahiert, sondern im Gegenteil Geistiges materialisiert, keinerlei symbolische Bedeutung besitzt und mehr oder weniger rein durch geometrische Konstruktion erzeugt ist. Richard Paul Lohse sprach eher von konstruktiver Kunst.

Bereits 1947 schrieb Max Bill, der bedeutendste Protagonist der Schweizer Konkreten Kunst hierzu:

konkrete Kunst macht den abstrakten Gedanken an sich mit rein künstlerischen Mitteln sichtbar und schafft zu diesem Zweck neue Gegenstände. das Ziel der konkreten Kunst ist es, Gegenstände für den geistigen gebrauch zu entwickeln, ähnlich wie der Mensch sich Gegenstände schafft für den materiellen gebrauch.

Das Auge des Betrachters muss aber zuerst geschult werden, um die Kompositionen in Form und Farbe zu begreifen und zu schätzen. Dann erst erlangt man die Gelegenheit ein Kunstwerk zu erleben.

Die Harmonik

Der Begriff Harmonik ist nicht primär im rein musikalischen Sinne gemeint, also keine Harmonielehre, sondern sie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, der sich alle großen abendländischen (und morgenländischen) Denker, angefangen bei den Philosophen und Mathematikern des Altertums (Archimedes, Pythagoras und dessen Schülerkreis, Aristoteles, Plato usw.), über die großen Köpfe des Mittelalters und der Renaissance (Johannes Kepler, Galilei, Kopernikus) bis hin zu einigen wenigen Wissenschaftlern und Künstlern der Neuzeit forschen.

Es handelt sich um eine ganzheitliche Betrachtung; denn im Kosmos oder in der Harmonik sind nicht nur Musik, bildende Kunst, Architektur, Geometrie, Dichtkunst, Tanz einbezogen, sondern auch die Formen und Grössen der Pflanzen, Tieren und des menschlichen Körpers, die Anordnung und Bewegung der Sterne, aber auch Psyche und Seele des Menschen. Das geistige Band, das all diese verschiedenen Erscheinungen sich entsprechen lässt, als Kreaturen einer einheitlichen göttlichen Schöpfung auffassen lässt, ist die Zahl oder Zahlgesetzlichkeit, die sich in einem Ding findet, sei dies nun konkreter oder abstrakter Art.1

Aristoteles: ‘Den Pythagoreern sind die Zahlen sowohl Stoff als Eigenschaft der Dinge.’ Weiter greifend ergibt sich wie von selbst deren Anwendung auch in der Kunst. Es ist evident, dass Zahlen und Zahlenverhältnisse engst mit der menschlichen Seele und deren Veranlagung zusammenhängen. In moderner Terminologie ist die Veranlagung zur Harmonie ein Archetypus.2

Dazu Dr. Bruno Glaus in den einführenden Worten zur Kunstausstellung im Gemeindehaussaal Benken SG:

Visualisierung der inneren Bildkräfte - was heisst das? Die meisten von uns kennen diese Stimmung, wir sitzen im Wald, Licht fällt durch die Bäume, wir kneifen die Augen zu, ein meist geometrisches Muster flimmert in uns, gerade Linien. Wir werfen einen Stein ins Wasser, wir verfolgen die Spiele des Windes, wo immer wir genau hinschauen können wir hinter dem Spiel der Natur geometrische Strukturen entdecken. Und wo immer wir uns mit solchen Gesetzmässigkeiten beschäftigen, können wir mit ihnen spielen. Gesetzmässigkeit und Spiel das ist ein Spannungsfeld, in dem sich Kuypers Werk bewegt. ‘Todernst und spielerisch sind nicht unbedingt Gegensätze’ hat Peter Kuyper in diesem Zusammenhang gesagt. (…) Er hat die inneren Bilder zeitweise intensiv in der Musik und durch Musik gesucht. In den 60er Jahren verkehrte er im legendären Africana in Zürich, befasste sich als Musiker und malender Künstler mit der Harmonik, denn, Gesehenes und Gehörtes haben miteinander zu tun.

Neben seiner späteren Arbeit in namhaften Zürcher Architekturbüros u.a. bei Franz Steinbrüchel und Prof. Walter W. Custer, war die Malerei für ihn immer präsent und ihm ein Mittel, um auf optische Weise gestalterische Gedanken zu verwirklichen: so ist jedes Bild die Folge einer Reihe von Handlungen in Farbgedanken.

Es ist diese vorbehaltlose Haltung, aus der die immer wieder erstaunliche Frische und Direktheit der Bilder und Objekte in seinen Werken entstehen. 3

Ein Künstler hat nicht das Ziel, ein Frage unwidersprechlich zu lösen, sondern einen zu zwingen, das Leben zu lieben in allen seinen Äusserungen4

  • 1 Rudolf Stössel: Einführung in die Pythagoreischen Harmonik
  • 2 Walter Heitler, Prof. f. Theoretische Physik Uni Zürich
  • 3 Charles Thommen
  • 4 Tolstoi